Going Lean, Again

30. November 2016

Friedrich Arnold, Senior Project Manager bei etventure, erklärt wie Hersteller die Lean-Startup-Methode als Kernstück ihrer digitalen Transformation erfassen können.

Der stolze CEO

Vor kurzem führten mich der Geschäftsführer und der Produktionsleiter eines deutschen Baumaschinenherstellers durch deren Werkstatt, in der die Endmontage und Inspektion stattfindet. Ich beglückwünschte das Team, wie ruhig das Fließband zu laufen schien und wie sauber die Werkstatt aussah. Stolz erklärte mir der Produktionsleiter: “Unsere Produktion ist lean – das heißt, wir haben alle Arten von Verschwendung aus unserem Produktionsprozess eliminiert.” Der CEO fügte hinzu, dass sein Unternehmen seit 2010 stark in das Lean-Management-System investiert hat; zusammen mit einigen der besten Berater hat sein Unternehmen die Methoden der Schlanken Produktion aus der Automobilindustrie auf die eigene Fertigung von schweren Baumaschinen übertragen.

Das Ergebnis war beeindruckend: Lieferanten liefern ihre vorkonfektionierten Komponenten direkt an die Fertigungsstraße – “Just-in-Time” und “Just-in-Sequence”. Die Monteure bauen die Maschinen mit ergonomisch gestalteten Werkzeugen, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, zusammen. Die einzigen Menschen, die sich schnell von einer Station zur anderen bewegen, liefern gemäß dem “Kanban”-System Material an die Montagestationen. “Der Wechsel von ‘Push’ zu ‘Pull’ von Materialien hatte einen großen Effekt auf unser Geschäft”, erklärte der CEO, “durch die Bereitstellung der richtigen Teile zum richtigen Zeitpunkt haben wir unseren Lagerbestand halbiert.” Ich konnte die Begeisterung in den Augen des Managers sehen, als er zusammengefasst schilderte: Sein Unternehmen hat die Produktionskosten gesenkt, die Lieferzeiten verkürzt und gleichzeitig die Qualität der ausgelieferten Produkte gesteigert. Die Transformation in ein Lean-Production-System ist demnach ein großer Erfolg für das Unternehmen.

Heimliche Sorgen

Nach der Tour, zurück im Besprechungsraum, fragte ich den CEO nach seiner digitalen Agenda und wie zufrieden er mit der Innovationskraft seines Unternehmens sei. Nachdem der Vorstandsvorsitzende mir gerade das gut funktionierende Herzstück seines profitablen Geschäfts gezeigt hatte, war er überraschenderweise sehr besorgt über die Zukunft. Das Unternehmen war dabei, seine Technologieführerschaft zu verlieren. Die Margen schrumpften. Die hellsten Köpfe der F&E-Abteilung gaben Jahr für Jahr siebenstellige Budgets für Produktverbesserungen aus – aber die Kunden kauften trotzdem vermehrt bei der günstigeren Konkurrenz.

Das neueste Projekt, ein Condition-Monitoring-System, welches den Kundenservice drastisch verbessern sollte, befand sich seit zwei Jahren in der Entwicklung. Unglücklicherweise war das Feedback der Kunden auf der letzten Messe nicht so gut wie erhofft. Inzwischen wurde der Aufsichtsrat nervös und der CEO fühlte den zunehmenden Druck, zu beweisen, dass er und sein Team mit der Digitalisierung umzugehen wissen.

Ein teurer blinder Fleck

Ich habe seitdem viel darüber nachgedacht, was ich an diesem Tag gesehen und gehört hatte. Im Allgemeinen war die Situation des Geschäftsführers keine Überraschung, denn viele unserer Kunden stehen vor den gleichen Herausforderungen. Eines aber fand ich faszinierend: Warum verschwenden Unternehmen, die Lean Management betreiben, ihr Geld in ihren Innovationsprozessen?

Aus meiner Sicht generierte der CEO zu wenig Output aus seinen Investitionen in Innovation. Warum also konnte seine Organisation, die eine schlanke Produktion aufgebaut hat, in der jegliche Art von Verschwendung eliminiert wird, den verschwenderischen Innovationsprozess nicht unter Kontrolle bekommen? Die Konsequenz war ebenso beunruhigend wie frustrierend: Das Unternehmen war im Begriff seinen Wettbewerbsvorteil zu verspielen, weil es seit Jahren überproportional viele Ressourcen in inkrementelle Verbesserungen des bestehenden Produktportfolios investierte, ohne aber bei den Kunden zu überzeugen.

Zeit, die Regeln zu brechen

Nach dieser Erfahrung und reichlicher Überlegung hier nun meine Antwort und Empfehlung für CEOs, die vor einer ähnlichen Herausforderung stehen.

Die Digitalisierung Ihrer Wertschöpfungskette lässt sich nicht mehr aufschieben. Auf Ihr Unternehmen warten neue, hoch profitable Geschäftsmodelle, die mit der Digitalisierung einhergehen. Die schlechte Nachricht ist, dass Ihr Unternehmen nicht in der Lage ist, sich schnell und erfolgreich auf die Situation einzustellen. Ihre Kosten sind zu hoch, Ihre Lieferzeit ist zu lang und die Qualität des Outputs begeistert Ihre Kunden nicht .

Die gute Nachricht ist, dass Sie bereits mit der Lösung vertraut sind: Es ist Zeit für die nächste Lean-Management-Transformation. Ihre Organisation hat es bereits geschafft, eine schlanke Produktion umzusetzen. Nun ist es an der Zeit, die Lean-Startup-Methode einzuführen, um Ihr Geschäftsmodell und Ihre Organisation durch die Vierte Industrielle Revolution zu steuern.

Lean Startup ist eine Methodik, die von den erfolgreichsten Startups aus dem Silicon Valley übernommen wird. Kurz gesagt, basiert sie auf drei Kernprinzipien.

  1. Erstellen Sie ein “Minimum Viable Product”, mit dem Sie die zentralen Design-Hypothesen mit so geringem Aufwand wie möglich testen können.
  2. Messen Sie die Effektivität Ihres Designs durch quantitative Metriken des Nutzer-Feedbacks.
  3. Lernen Sie von Ihren Nutzern und passen Sie Ihr Design systematisch an, so dass Sie neue Hypothesen über Ihr Produkt und Ihr Geschäftsmodell testen können.

In unseren Projekten bei etventure laufen wir jeden Tag durch diesen Lernzyklus. Wir verstehen, dass Agilität der wichtigste Faktor bei der Umsetzung von Ideen in erfolgreiche Produkte ist. So radikal das auch klingen mag, unsere Entscheidungen in den frühen Phasen eines Innovationsprojekts basieren ausschließlich auf der Reaktion des Nutzers auf unser Minimum Viable Product. Unsere Kunden sind oft erstaunt, was wir innerhalb von drei Monaten erreichen können. Allerdings ist das alles, was es braucht, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln – sobald wir unnötige Zeit-Killer aus dem Innovationsprozess eliminieren und uns auf die Bereitstellung von Mehrwert für die Kunden konzentrieren.

Fail Cheap, Fail Fast

Herzlichen Glückwunsch! Sie verstehen, was auf dem Spiel steht, und Sie sind auf der Suche nach einer konkreten Handlungsempfehlung. Deshalb hier die drei Schritte zum Starten des Lean-Startup-Testballons in Ihrer Organisation innerhalb von drei Monaten:

Schritt 1 – Bilden Sie ein interdisziplinäres Team und senden Sie es auf eine Mission – Wenn Sie in Ihrem Unternehmen nicht über UX/UI- und Design-Thinking-Experten verfügen, holen Sie einen erfahrenen externen Partner wie etventure zur Hilfe, der im Lean-Startup-Prozess unterstützt.

Schritt 2 – Hören Sie auf Ihre Kunden, entwickeln und testen Sie Ihre Ideen – es wird etwa 50 Interviews mit tatsächlichen Kunden benötigen, um vielversprechende Ideen mit echtem Geschäftspotenzial zu entwickeln und zu testen.

Schritt 3 – Entwickeln Sie ein Minimum Viable Product und versuchen Sie, es zu verkaufen. Wählen Sie die “Quick-Win”-Option aus all den Ideen, die Ihr Team produzieren konnte. So entwickeln Sie ein Produkt, das einen Mehrwert liefert, für den Ihre Zielkunden zu zahlen bereit sind. Dabei ist es nicht nötig, ein teures IT-Projekt einzurichten. Ihre Kunden werden Ihnen die Unvollkommenheit der ersten Version Ihres Produkts verzeihen – solange Sie weiterhin auf ihr Feedback hören.

Machen Sie Pause

Nach Abschluss dieser drei Schritte gönnen Sie Ihrem Team eine Pause, um über die Fortschritte zu reflektieren. Sie werden sicherlich Dinge in der Zukunft verbessern wollen – und das ist OK, weil es zeigt, dass Sie schnell genug gearbeitet haben. Die Lernerfahrung wird Ihnen und Ihrem Team dabei helfen, den Schwung aufrecht zu halten und neue Herausforderungen zu meistern.

Was ist Ihre große Idee?

Klar ist: Wenn Ihr Unternehmen den Übergang zur Schlanken Produktion geschafft hat, ist die Lean-Startup-Methode genau das Richtige für Sie.

Warum? Unsere Erfahrung zeigt, dass sich Kunden aus der verarbeitenden Industrie ideal für Lean Startup eignen – denn die Methodik basiert auf denselben Grundsätzen wie die Schlanke Produktion: Bringen Sie eine Idee schnell und kostengünstig und mit maximaler Kundenzufriedenheit auf den Markt.

Die Anwendung des Lean-Startup-Ansatzes auf Ihren Innovationsprozess wird viel Zeit und Konzentration in Anspruch nehmen. Unsere Erfahrung mit vielen Projekten der Digitalen Transformation zeigt, dass die Aufmerksamkeit des Top-Managements und ein funktionierendes Digital-Team wichtige Erfolgsfaktoren eines Projekts sind.

Also, zögern Sie nicht, begeistern Sie Ihre Aufsichtsräte, und liefern Sie einen schnellen Erfolg. Selbst wenn die Arbeit gemäß Lean Startup zunächst unbequem erscheint – sobald Sie die gleiche Motivation und Ausdauer an den Tag legen, die Sie auf die Einführung des Lean-Management-Systems angewandt haben, werden Sie erfolgreich sein.

Wollen Sie mehr darüber erfahren? Kontaktieren Sie uns – das über 200-köpfige Team aus Digitalexperten und Entrepreneuren von etventure hilft Ihnen gerne weiter.


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Autor

Friedrich Arnold, Senior Project Manager in Berlin, schreibt über seine Erfahrungen mit der Digitalen Transformation deutscher Maschinen- und Anlagenbauer. Dabei verbindet er seine Erfahrungen als gelernter Ingenieur und Co-Founder mehrerer Startups in Deutschland und dem Silicon Valley.

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