Erfolgsgarant oder Auslaufmodell – Freemium

26. Februar 2020

Mit kostenlosen Angeboten Kunden locken: Freemium – ist dieses Prinzip ein Auslaufmodell oder Erfolgsgarant?


Im Offline-Handel wird mit Probierhappen gelockt, digital ist das Modell unter dem Kunstwort „Freemium“ bekannt. Das Geschäftsprinzip ködert seine Kunden mit einem gratis Basisangebot („free“) und verlangt für seine Vollversion kleine oder größere Geldbeträge („Premium“). Erstmals beschrieb Risikokapitalgeber Fred Wilson 2006 das Modell auf seinem Blog: “Biete deinen Service gratis an, mit Werbeeinblendung oder auch nicht, akquiriere effizient viele Kunden durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Werbepartner, Platzierung in Suchmaschinen usw., und dann biete Premiumdienste oder erweiterte Dienste zu einem Preis an.“ Das Freemium-Geschäftsmodell erfreute sich schnell großer Popularität. Das trifft vor allem auf den Software-Bereich zu, da die Herstellungskosten eines Produkts beziehungsweise der Kopie sehr niedrig sind oder gar gegen Null geht. Auch unter Startups ist das Geschäftsprinzip beliebt, um im ersten Schritt eine große Zahl von Nutzern zu generieren. Bei vielen Softwareunternehmen gehört das Gratis-Modell zur Produktpalette.

‚Kostenlos‘ zum Geschäftserfolg?

Einige der weltweit größten Unternehmen bieten Freemium-Produkte an. Amazon stellt eine Plattform, auf der Kunden Milliarden Artikeln bestellen können. User können sich für eine kostenlosen Nutzung der Plattform entscheiden oder „Amazon Prime“ kaufen, was einen schnelleren Versand, einen Video-Zugang und andere exklusive Funktionen inkludiert.
Der Musik-Streaming-Dienst Spotify bietet seine Dienste im Rahmen eines Freemium-Modells an. Die kostenlose Version des Service enthält Werbung, während zahlenden Abonnenten werbefreie Inhalte zur Verfügung stehen. Auch der Datenspeicherdienst Dropbox ermöglicht das Speichern von Daten bis zu einem gewissen Volumen kostenlos, danach erfordert es den Kauf eines Abonnements.

Doch was sind die Vorteile von Freemium für Unternehmen? 

  • Ein Produkt braucht Zeit sein volles Potential zu entfalten: In der Tat ist es so, dass Freemium desto besser funktioniert, je mehr ein Produkt darauf ausgelegt ist, Abhängigkeit zu schaffen. Das ist unter anderem bei all den Services der Fall, die helfen, Informationen zu organisieren, zu sammeln und zu speichern, so wie etwa Evernote. Diese Services haben eine eingebaute Wertsteigerung, die mit der Nutzungsdauer kommt.
  • Gratis-Nutzer können zu Premium-Nutzern verhelfen: Das Freemium-Modell unterstützt eine schnellere Nutzer-Generierung. So kann ein Gratis-Produkt durch Mund zu Mund-Empfehlungen, die Produktbekanntheit steigern. Natürlich wird dieser Mechanismus immer dann besser funktionieren, wenn ein großer Markt angegriffen wird.
    Das Potential der Gratis-Kunden kann durch ein Affiliate-Programm weiter ausgebaut werden. Denn vielleicht konvertieren die Gratis-Nutzer nicht, aber können dabei unterstützen Premium-Nutzer zu rekrutieren. So stellt AirBnB Reiseguthaben zur Verfügung bei erfolgreicher Weiterempfehlung und maximiert durch sein Referral—Programm erfolgreich seine Sign-Ups.
  • Freemium-Nutzer helfen das Produkt zu verbessern: Viele Webservices stützen sich teilweise oder ganz auf den “Netzwerk-Effekt”, wenn eine große Anzahl an Nutzern für das Produkt von Bedeutung ist. Zum Beispiel hat das soziale Netzwerk LinkedIn eine riesige Basis an Gratis-Usern, die allerdings einen großen Wert für alle zahlenden Kunden darstellen, beispielsweise Personaler auf der Suche nach geeigneten Kandidaten. Da die Freemium-Nutzern außerdem konstant an der Erstellung von Inhalten mitwirken, bringt dies ebenfalls noch SEO-Seite Vorteile.
  • Kostenlose Nutzer helfen zu testen, zu verbessern und schneller zu optimieren: Freemium-User stellen eine Grundlage zum Testen bereit, für das Produkt, aber auch für das Marketing. Denn nur wenn man die Bedürfnisse der Kunden wahrnimmt, kann man sein Produkt stetig weiterentwickeln und anpassen. Durch eine große User-Zahl bieten Freemium-Modelle eine gute Grundlage, gemeinsam mit den Kunden an der Weiterentwicklung zu arbeiten.
  • Freemium kann helfen, sich von den Wettbewerbern abzugrenzen: Gratis-Angebote erleichtern die Anmeldungen für Nutzer und erlauben es Produkte unter realen Bedingungen zu testen. Damit bietet man seinen Kunden einen Mehrwert, von dem sie sich erstmal selbst überzeugen können und sticht damit schnell weitere, kostenpflichtige Wettbewerber aus. 

Freemium

Freemium – mit Vorsicht zu genießen?  

Für das Freemium Modell gibt es jedoch auch Bedenken hinsichtlich des Geschäftsprinzips. Denn die Unternehmen müssen dennoch Gewinne erzielen, trotz Freemium. Die größte Herausforderung der Freemium-Wirtschaft ist ihre Monetarisierung. Mit dem Freemium-Modell lässt sich durchaus Geld verdienen, wenn man ein kritische Masse an Premium Kunden geködert hat, die Daten gut monetarisieren kann oder auf Grundlage der Daten weitere Produkte entwickeln und anbieten kann, die dann monetarisiert werden. Zahlreiche Anbieter setzen bei der Monetarisierung auf Werbeeinnahmen. Eine weitere Methode ist der Verkauf von Benutzerdaten. Nutzer erklären sich hierzu in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereit. Die Daten der Nutzer können dann weltweit an Unternehmen verkauft werden, um dem User in Zukunft andere Produkte zu vermarkten.

Das Geschäftsmodell birgt allerdings folgende Herausforderungen: 

  • Eine gute Balance zwischen Gratis und Premium zu finden, ist sehr schwer:
    Die besten Freemium-Strategien sind diejenigen, die auf natürlichen Auslösern zum Konvertieren beruhen, beispielsweise auf Einschränkungen, die gelegentliche Nutzer nicht stören, aber diejenigen, die das Produkt intensiv nutzen.
  • Die richtige Skalierung der Offerings für Basic und Premium ist entscheiden:
    Erhöhte Betriebskosten kombiniert mit geringen Konvertierungsraten führen die Unternehmen in unangenehme Situationen. Liegt das primäre Ziel hinter der Freemium im Steigern der Popularität des Angebots, sollte bei dennoch niedriger Kundengenerierung das Konzept hinterfragt werden. Generiert man auf der anderen Seite ausreichend Traffic und schafft es nicht die Kunden zu Premium-Kunden zu konvertieren, scheint das Freemium Modell zu reichhaltig und muss gegebenenfalls nochmals begrenzt werden.
  • Gratis Angebote können ein falsches Signal sein:
    Zahlende Nutzer können an die eigene Gratis-Version verloren gehen. Wer einen Freemium-Weg einschlägt, muss beide Angebote angemessen vermarkten – Gratis- und Premium-Version.

Ein Markt, auf dem alle Produkte umsonst sind, lässt den Kunden schnell glauben, er hat das Recht auf Gratisprodukte. Die Wertschätzung für den Service sinkt – daran sollten Unternehmen denken, wenn sie dieses Modell einsetzten. Die Zeitungsbranche richtet sich aus diesen Gründen neu aus. Nach und nach verschwinden Inhalte hinter harten Pay Walls. Doch der Paid Content bleibt weiterhin in Konkurrenz mit frei verfügbaren News. Welches Modell wird am Ende siegen? Zumindest können Zeitungen den Wert ihrer Beiträge somit noch hochhalten.

Bleibt Freemium also eine Marketing-Strategie oder ist es ein rentables Geschäftsmodell?
Fragen sie sich selbst: Wie Freemium tauglich ist ihr Unternehmen?

  • Hat Ihr Produkt Potenzial zur viralen Verbreitung?
  • Haben Sie ein Produkt mit geringen Bereitstellungskosten?
  • Hat Ihr Produkt einen großen potenziellen Markt?
  • Haben Sie einen klaren und attraktiven Migrationspfad für Ihre Benutzer?
  • Gewinnt Ihr Produkt über die Nutzungsdauer an Wert?
  • Können Sie auch kostenlose Abonnenten monetarisieren?
  • Haben Sie die Kapazitäten, um die Leute vom Ausnutzen Ihres Systems abzuhalten?
  • Wird Ihr Produkt stärker, wenn es mehr Menschen nutzen?
  • Besteht Potenzial für die zweiseitige Monetarisierung Ihres Produkts?
  • Haben Sie die Infrastruktur zur Bedienung einer riesigen Zielgruppe?

Freemium ist ein beliebtes Modell der digitalen Wirtschaft, jedoch ist seine Komplexität in der Monetarisierung und Umsetzung nicht zu unterschätzen. So sollten von Freemium-Apps mit In-App-Käufen bis zu Produkte wie Adobe, die Freemium als primäres Vehikel zur Maximierung der Conversationsraten nutzen, die Einführung kritisch beobachten.


Du hast eine Frage oder eine Meinung zum Artikel?
Teile sie mit uns!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

* Pflichtfeld

Autor

Lara Barnini hat als Marketing Research Managerin ein geschultes Auge für datenbasierte Auswertungen und weiß, wie eine sinnvolle Verbindung zwischen Marketing und Vertrieb entsteht. Doch neben dem Verständnis für Zahlen, befasst sie sich leidenschaftlich gerne mit einer achtsamen Lebensweise im Arbeits- und Privatleben, um das Thema mentale Gesundheit auch im Unternehmenskontext auf die Agenda zu bringen.

Alle Artikel lesen